Gemäßigte Laubwaldregion
Merkmale der gemäßigten Region Europas
Tiefebene
Au- und Bruchwald
Montane Wälder
Subalpine Wälder
Hier beschreiben wir kurz die Wälder der europäischen gemäßigten Zone unter ihren angenommenen natürlichen Bedingungen. Die Höhenlagenwälder des Mittelmeerraumes ähneln den Bergwäldern der gemäßigten Zone in etwas niedrigeren Lagen und werden hier ebenfalls beschrieben.
Merkmale der gemäßigten Region Europas
Auf den anderen Kontinenten gibt es keine Region, die klimatisch mit der gemäßigten Region Europas ganz ähnlich ist. Im Vergleich zu den zwei anderen großen gemäßigten Laubwaldregionen – dem östlichen Nordamerika und Ostasien – ist die europäische gemäßigte Region ozeanischer aufgrund der westlichen Winde, die das ganze Jahr über vom Atlantik her wehen: Die jährlichen Temperaturamplituden sind kleiner. Andererseits sind die Sommerniederschläge reichlicher als in der gemäßigten Nadelwaldzone des westlichen Nordamerikas. Die Kombination aus den trockenen Sommern und der Ozeanität ist vermutlich der Hauptgrund dafür, dass die Westküste Nordamerikas ab der Meereshöhe fast völlig von Nadelbäumen dominiert wird1. Die Klimas dieser Regionen werden in der nachstehenden Tabelle verglichen. Die ausgewählten Städte haben vergleichbare Jahresmitteltemperaturen. Alle liegen an der Küste, um den Einfluss der Gebirge auszuschließen. Die zweite Zahl steht für Ozeanität/Kontinentalität, wobei der höhere Wert mehr kontinental ist.
Jahresmitteltemperatur, °C | Differenz zwischen den Mitteltemperaturen des wärmsten und des kältesten Monats, °C | Niederschlagsmenge Juni–August, mm | |
Brest, Frankreich | 12,1 | 9,1 | 162 |
Yamamoto, Japan | 12,3 | 21,5 | 513 |
New York, USA | 11,9 | 25,4 | 314 |
Crescent City, Kalifornien, USA | 12,0 | 7,7 | 67 |
In der gemäßigten Zone Europas ist die Baumartenvielfalt nur halb so hoch wie im entsprechenden Klima im östlichen Nordamerika und vier bis sechs mal niedriger als in Ostasien2 3. Allerdings ist die Anzahl aller Gefäßpflanzen ungefähr gleich in diesen Regionen4. Die Fotos auf dieser Website erwecken den Eindruck einer noch geringeren Baumartenvielfalt, als es in Wirklichkeit der Fall ist, denn in der europäischen gemäßigten Zone sind Urwälder vor allem dort intakt geblieben, wo die erstaunliche Konkurrenzkraft der Rotbuche (Fagus sylvatica) nur wenige andere Arten gedeihen lässt. Die Baumartenvielfalt ist jedoch bemerkenswert höher auf Standorten, die für Buche zu nass oder zu trocken sind. Leider gibt es z.B. keine Auwälder oder Wälder auf trockenen Sandböden mehr, welche in ihrem natürlichen Zustand sind. Pro Hektar gibt es höchstens etwa 20 Baumarten. Mit zunehmender Artenvielfalt wird auch die Bestimmung etwas schwieriger. Trotzdem sind die meisten Bäume ziemlich leicht zu identifizieren. Echte Schwierigkeiten selbst für Spezialisten können Weißdorne (Crataegus spp.) in Osteuropa verursachen, wo ihre Artenvielfalt höher ist. Für die Bestimmung der Weißdorne wird dieses Buch empfohlen: Christensen, K. I. (1992): “Revision of Crataegus Sect. Crataegus and Nothosect. Crataeguineae (Rosaceae-Maloideae) in the Old World”.
Starker Wind ist in den mitteleuropäischen Wäldern die häufigste natürliche Störung; jedoch sind sehr schwere Stürme – wie Hurrikane und Taifune des östlichen Nordamerikas und Ostasiens – unbekannt5. Im Gegensatz zu borealen und mediterranen Wäldern brennen gemäßigte Wälder nicht oder nur sehr selten. Der Waldboden ist tief mit Blättern bedeckt, die aufgrund des engen Kontakts zum Boden feucht bleiben. Totholz zersetzt sich schnell und das Unterholz ist spärlich, so dass es nicht genügend brennbares Material gibt. Außerdem bilden Buche und andere große Laubbäume ein dichtes, geschlossenes Kronendach, sodass die Sonne den Waldboden nicht austrocknen kann. In höheren Lagen ist der Niederschlag in der Regel hoch, somit ist der Feuchtigkeitsgehalt noch höher.
Tiefebene
Ohne menschlichen Einfluss wäre Mitteleuropa von Laubmischwäldern dominiert, in denen die Rotbuche eine wichtige Rolle spielt. Einige Autoren, wie z.B. Henschel schätzen, dass 75% der deutschen Wälder Buchenwälder wären6. Die Buche dominiert die Wälder in einer äußerst breiten Standortamplitude: sie herrscht gebietsweise vom Meeresstrand bis an die alpine Baumgrenze, und dies in einem außerordentlich großen Standortzustandsraum7. Manchmal ist es sogar möglich, kleine Flächen mit nur einer Pflanzenart – Buche – zu finden! Zu den Gründen für ihre außergewöhnliche Rolle zählen ihre breite klimatischen, Standort- und Schattentoleranzen (die Mindestanforderung ist nur 1-2% des Sonnenlichts), tiefer Schatten unter der Buche, sowie ihre Höhe und Langlebigkeit8 9. Andere Baumarten können von Natur aus nur in extremen Standorten (z.B. nass, trocken, kalt oder unstabil) dominieren10, wo die Rotbuche kein geschlossenes Kronendach bilden kann11. Leuschner bezeichnet die Buche als die von der Natur aus erfolgreichste Pflanzenart Mitteleuropas7. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Ausbreitung der Rotbuche sowie der Siedlungen nach der letzten Eiszeit parallel abgelaufen sind und der Mensch die Wälder schon sehr früh stark verändert hat12 13. Eine vom Menschen unbeeinflusste und unbewohnte Waldlandschaft mit Rotbuchen hat es in Deutschland vermutlich nie gegeben. Müller weist darauf hin, dass die Sichtweise der von Natur aus dominierenden Rotbuche von Wirtschaftswäldern seit den 1960er Jahren unter nasskalten Bedingungen und extrem hohen Wilddichten geprägt sind14. Er schlägt deshalb vor, von gemäßigten Laubmischwäldern zu sprechen, statt von Buchenwäldern.
Die Farben des Buchenwaldes sind das helle Grün des Kronendaches, das helle Grau der Stämme und das Orangebraun des Laubes. Im Herbst färben sich auch die Buchenkronen in Orangetönen. Stolze Säulen tragen das dichte Kronendach, welches tiefen Schatten auf den Waldboden wirft. Nur wenige Pflanzen können dort wachsen. Es gibt erstaunlich wenig Totholz, da das Holz sich schneller zersetzt als beispielweise Nadelbaumholz.
Andere Baumarten, die hier und da in Buchenwald wachsen, sind u.a. Trauben-Eiche (Quercus petraea), Hainbuche (Carpinus betulus), Winter-Linde (Tilia cordata), Sommer-Linde (T. platyphyllos), Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Spitz-Ahorn (A. platanoides), Berg-Ulme (Ulmus glabra) und Gemeine Esche (Fraxinus excelsior). Auf den Sandböden wachsen vor allem Stiel- (Quercus robur) und Trauben-Eiche4.
Die östliche Grenze der Verbreitung der Buche ist jedoch scharf und verläuft auf der mitteleuropäischen Tiefebene in Zentralpolen, östlich davon vernichten Spätfröste oder Sommerdürre die Blüten und die jungen Früchte4. Hier wachsen gemischte Edellaubwälder auf fruchtbaren Böden, welche oft vor allem aus Winter-Linde, Hainbuche und Stiel-Eiche bestehen; auf den Sandböden dominiert Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) 4. In der südosteuropäischen “pannonischen” Region von Ungarn ostwärts mit trockenen Spätsommern wäre die natürliche Vegetation wahrscheinlich ein vielfältiger Eichenwald, von dem fast nichts mehr übrig ist15.
Auf den Britischen Inseln ist die Baumflora besonders verarmt aufgrund der Kombination einer langen Geschichte der Vergletscherung und der Insellage16. Auch die Buche ist vielleicht vom Menschen eingebracht worden17, und in natürlichen Wäldern würden Winter-Linde, Berg-Ulme, Stiel- und Trauben-Eiche sowie die Gemeine Esche dominieren18. Auf den Britischen Inseln gibt es keine Urwälder oder urwaldähnliche Wälder mehr.
Die höchsten natürlichen Baumarten der Tiefebene sind Buche und Gemeine Esche; beide können ca. 50 m erreichen19 (Bild rechts: in diesem Wald bei Kelheim, Deutschland, wächst mit 50,6 m die höchste von uns bekannte Esche). Die Bäume auf der Tiefebene sind fast ausschließlich sommergrün, was schon allein zu bemerkenswerten ökologischen Unterschieden zu den anderen Klimazonen führt. Die Bäume produzieren große Mengen Laub im Herbst. Das Buchenlaub ist sauer und zersetzt sich langsam, was die Untervegetation erstickt, ebenso wie die effizienten Buchenwurzeln und der tiefe Schatten im Sommer. Moose sind auf hochgelegenen Flächen beschränkt. Im Frühjahr bevor die Blätter ihre volle Größe erreicht haben, gibt es jedoch viel Licht auf dem Waldboden. Unter anderen Bäumen bedeckt eine reiche blühende Krautschicht den Waldboden, aber die Krautschicht im Buchenwald kann auch im Frühjahr sehr spärlich und die häufigste Bodenpflanze der eigene Nachwuchs, die Buchennaturverjüngung sein. Ansonsten gibt es hier und da u.a. Waldsauerklee (Oxalis acetosella), Busch-Windröschen (Anemone nemorosa), Weiße Hainsimse (Luzula luzuloides) und Draht-Schmiele (Deschampsia flexuosa). Eine Ausnahme bilden Buchenwälder auf kalkreichem Boden20. In ihren weniger sauren Braunerden leben auch Regenwürmer, Laub zersetzt sich schneller, und die Krautschicht kann ziemlich reichlich und artenreich sein, einige häufige Arten sind Waldmeister (Galium odoratum), Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis), Busch-Windröschen, Hohle Lerchensporn (Corydalis cava), Bärlauch (Allium ursinum), Gefleckte Aronstab (Arum maculatum), Waldgerste (Hordelymus europaeus) und Gelappte Schildfarn (Polystichum aculeatum). Buche wächst jedoch schneller auf saureren als kalkreichen Böden4.
Au- und Bruchwald
Auf den Auen großer Flüsse wuchsen üppige Auwälder, die heute durch Bedeichung und Rodung fast vollständig verschwunden sind. Die Auen sind in drei Zonen unterteilt. Im Weidengebüsch wachsen strauchartige Weiden wie Purpur- (Salix purpurea), Mandel- (S. triandra) und Korb-Weide (S. viminalis). Der Weichholz-Auenwald wird jährlich überflutet. Zu den Bäumen gehören Silber-Weide (Salix alba), Fahl-Weide (S. × fragilis), Bruch-Weide (S. euxina) Mandel-Weide, Schwarz-Pappel (Populus nigra, heute durch Hybrid-Schwarz-Pappel (P. × canadensis) ersetzt), Silber-Pappel (P. alba) und Schwarz-Erle (Alnus glutinosa). Der Hartholz-Auenwald wird nur bei außergewöhnlichen Hochwassern überflutet. Zu den Bäumen dieses sehr produktiven und artenreichen Waldtyps gehören Gemeine Esche, im Süden Schmalblättrige Esche (Fraxinus angustifolia), Berg-Ulme, Flatter-Ulme (Ulmus laevis), Feld-Ulme (U. minor, heute praktisch ausgestorben durch das Ulmensterben (Ophiostoma spp.) und Stiel-Eiche. Das Unterholz ist üppig und Lianen Gemeine Efeu (Hedera helix) and Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba) geben dem Wald ein subtropisches Aussehen. Die Böden sind auf mineralischen Sedimenten geformt. Nach dem Hochwasser kann der Auwald ziemlich trocken sein.4
In den auf Torf wachsenden Bruchwäldern erreicht der Wald seine Nässegrenze. Schwarz-Erle wächst auf Bulten, zwischen diesen ist der Waldboden normalerweise zumindest im frühen Frühling unter Wasser (Schlenken). Auf armen Böden ersetzt Moor-Birke (Betula pubescens) die Schwarz-Erle.
Montane Wälder
Die Wälder dieser Stufe sind meistens Mischwälder aus drei dominierenden Arten: Rotbuche, Weiß-Tanne (Abies alba) und Gemeine Fichte (Picea abies). Es gibt auch fast reine Buchenwälder, welche mit Tieflandbuchenwäldern ähnlich sind. In trockeneren Gebieten wächst Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) oft auf Südhängen.
In dieser Zone wachsen die höchsten einheimischen europäischen Bäume. Im besten Fall erreichen diese Wälder fast die Majestät einiger Nadelwälder des westlichen Nordamerikas; die Anwesenheit von Laubbäumen verleiht den Wäldern jedoch ein einzigartiges Gefühl. Der aktuelle Höhenrekordbaum ist eine 62,7 m hohe Gemeine Fichte in Slowenien19.
In Wäldern mit einem hohen Tannenanteil ist die Krautschicht oft reicher, da die Tannennadeln reich an Calcium sind und zu Humus von geringer Azidität zersetzt als die von Buche und Fichte21. Häufige Arten sind u.a. Waldmeister, Waldsauerklee, Gewöhnliche Goldnessel (Lamiastrum galeobdolon), Wald-Sanikel (Sanicula europaea), Brombeeren (Rubus spp.) und Farne.
Buche und Tanne sind sehr schattentolerant und können in kleinen Lücken heranwachsen, welche einzelne umgestürzte Bäume hinterlassen22. Buche dominiert normalerweise die kleinsten Größenklassen der Verjüngung. Ihre Schattentoleranz nimmt jedoch ab, wenn sie größer wird, sodass die Tanne ihren Anteil behalten kann, wenn der Druck der Pflanzenfresser dies erlaubt22. Neue Studien zeigen, dass neben den einzelnen gefallenen Bäumen auch periodische Sturmschäden von bis zu mehreren tausend Quadratmetern ein wichtiger Teil des Störungsregimes sind23. Diese größeren Lücken ermöglichen die Verjüngung der Arten mit niedrigerer Schattentoleranz, z.B. Berg-Ahorn, Berg-Ulme und GemeineEsche22.
In Südostbulgarien und in der Nordwesttürkei gibt es Wälder mit Orient-Buche (Fagus orientalis) und immergrüner Strauchschicht von pontischem Rhododendron (Rhododendron ponticum) und Lorbeer-Kirsche (Prunus laurocerasus) 24. Derselbe Waldtyp existiert reicher auf den unteren Hängen im westlichen Kaukasus (siehe Kaukasus–Nordiran).
Subalpine Wälder
Der tiefsubalpine Wald ist meistens fast reiner Fichtenwald, in Südosteuropa mit Rumelischer Kiefer (Pinus peuce) (in den Pyrenäen fehlt die Fichte). Oberhalb von diesem wachsen in den Pyrenäen, den Alpen und den Westkarpaten Europäischer Lärche (Larix decidua) und Zirbelkiefer(Pinus cembra) 4. Die letztgenannten Arten fehlen in den Gebirgen von Südosteuropa. Anstatt von diesen gibt es eine Stufe von Rumelischer Kiefer, Schlangenhaut-Kiefer (P. heldreichii) und Gemeiner Fichte. Oberhalb von diesen Wäldern gibt es Dickichte von Latsche (P. mugo). In den Westalpen und den Pyrenäen ersetzt die baumförmige Spirke (P. uncinata) die Latsche. Dennoch gibt es in einigen Gebieten bis zur Waldgrenze fast reine Wälder aus – Sie ahnen es – Rotbuche!
Die subalpinen Wälder haben manche Gemeinsamkeiten mit den borealen Wäldern, aber da die Niederschlagsmengen in hohen Lagen generell hoch sind, brennen diese Wälder kaum. Wie in den borealen Wäldern, gibt es auf dem Waldboden oft wuchernde Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) und Moose.
KR & TM
Referenzen:
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