Perućica

Perućica-Naturreservat, Bosnien und Herzegowina

Perućica (14 km2) ist ein Teil des Sutjeska-Nationalparks und gilt wegen seiner Größe, Unberührtheit und Schönheit als einer der besten Urwälder in Europa. Die Wälder des Nationalparks außerhalb von Perućica werden leider immer noch von der Nationalparkverwaltung abgeholzt, aber Perućica selbst ist echter Urwald. Es gibt ein paar kleine Flecken mit Wiesen und jungem Wald, die in der Vergangenheit beweidet wurden1; der Urwald ohne jegliche Anzeichen von menschlichen Aktivitäten beginnt gleich neben diesen Flecken. Die Erhaltung des Urwaldes ist ein Ergebnis der fehlenden Verkehrsverbindungen2 bis eine steinige Straße durch Perućica nahe seiner oberen Grenze in den 50er Jahren gebaut wurde3. Die alpinen Wiesen oberhalb des Reservats werden immer noch von Rindern und Schafen beweidet, aber sie nutzen die Waldränder nur bei starker Trockenheit3.

Perućica besteht aus fast dem gesamten Tal des Perućica-Flusses auf ca. 600–1800 m Höhe (Bild unten). Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8,6°C bei 700 m und 5,9°C bei 1300 m. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 1400 mm bei 700 m und 1900 mm bei 1300 m, 15% davon fällt während der drei Sommermonate2. Die Böden sind fruchtbar und tief; sie stammen aus Kalkstein und Dolomit auf den oberen Hängen und aus Sandstein und Schiefer in den unteren Lagen3. In der Mitte Perućicas gibt es den 75 m hohen Skakavac-Wasserfall. Der Teil unterhalb des Wasserfalls, im nordwestlichen Ende des Reservats, ist eine steile Schlucht, die derzeit fast unzugänglich ist: Der einzige Zugangspunkt mit etwas sanfteren Hängen wäre durch die Sutjeska-Schlucht, dieser ist aber der einzige Teil Perućicas, in dem noch Landminen aus dem Bosnienkrieg vermutet werden4. Oberhalb des Wasserfalls ab ca. 1000 m Höhe wechseln sich sanftere und steilere Hängen ab; auch dort bilden der Perućica-Fluss und sein größter Nebenfluss Prijevorski steile Schluchten an einigen Stellen. Der höchste Gipfel Bosnien-Herzegowinas, Maglić (2386 m) ragt über Perućica hinaus.

Perućica-Tal von Südost bei 1600 m. Der Fluss, der in direkter Sicht vorwärts fliesst, ist Prijevorski. Perućica-Fluss kommt vom rechts

Weiß-Tanne (Abies alba) dominiert das oberste Kronendach vielleicht stärker als in jedem anderen Urwald, was von den Kämmen oberhalb der Waldgrenze gut zu sehen ist (Bild oben). Hier und da sind Flecken von Rotbuchenwald zu sehen. Rotbuche (Fagus sylvatica) wächst auch im Tannenwald, wird dort aber nicht besonders groß und geradestämmig. Der dritthäufigste Baum ist Gemeine Fichte (Picea abies). Seit den 1950er Jahren hat der Anteil der Buche zu- und der der Fichte abgenommen5. Zu den anderen Bäumen gehören u.a. Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Berg-Ulme (Ulmus glabra) und Gemeine Esche (Fraxinus excelsior). Auf den höheren Hängen wird Berg-Ahorn nach und nach vom Griechische Ahorn (Acer heldreichii) abgelöst. Im Gegensatz zu vielen anderen Wäldern, auch Urwaldresten in Mitteleuropa, gibt es im Perućica viel Verjüngung von Weiß-Tanne. Laut Nationalparkverwaltung soll dies vor allem an einer hohen Dichte von Raubtieren und dadurch niedrigen Dichte von großen Pflanzenfressern (Reh (Capreolus capreolus), Rothirsch (Cervus elaphus) und Balkangämse (Rupicapra rupicapra balcanica)) liegen. Der Holzvorrat ist hoch, in einer kleinen Teilprobefläche wurden sogar 1870 m3/ha lebendes Holz gemessen2, auch wenn dieser Wert natürlich nicht repräsentativ für das ganze Gebiet ist. Auf einer größeren Fläche gemessen beträgt der Holzvorrat 937 m3/ha 5. Die Totholzmenge ist hoch, 406 m3/ha 6. Sogar über 500 Jahre alt sind die ältesten Buchen3. Die Kräuterschicht ist variabel und reichlich vorhanden: Wald-Sanikel (Sanicula europaea), Waldmeister (Galium odoratum), Bärlauch (Allium ursinum), Waldsauerklee (Oxalis acetosella), Brombeeren (Rubus spp.), Wald-Hainsimse (Luzula sylvatica), Farne usw. In der steilen tiefer liegenden Schlucht dominieren neben Buche trockenheitsresistentere Bäume, z. B. Europäische Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia), Orientalische Hainbuche (Carpinus orientalis), Manna-Esche (Fraxinus ornus), Kornelkirsche (Cornus mas), Espe (Populus tremula) und Schwarz-Kiefer (Pinus nigra). Die Waldlandschaft im Perućica ist sehr abwechslungsreich: Es gibt kleinere und größere Lücken durch Windwürfe, mehrschichtige Bestände mit viel Verjüngung, aber auch hallenartige Wälder mit wenig oder gar keiner Verjüngung. Vor allem in der Verbindung mit der üppigen Krautschicht macht das Perućica zu einem sehr ästhetischen Wald.

Tannen–Buchenwald bei ca. 1200 m

Viele europäische Dendrologen erinnern sich an Perućica, weil man sagt, die höchsten Gemeine Fichte (63 m) und Weiß-Tanne (65 m) wurden hier gemessen. Diese Bäume wurden von Prof. Hans Leibundgut und Prof. Konrad Pintarić im Jahr 1954 gemessen. Die Messungen sind so alt, dass sie mit Sicherheit mit der Tangentenmethode gemacht wurden, die oft zu einem zu hohen Resultat führt7. Neben der Unsicherheit aufgrund der Messmethode wird die Zuverlässigkeit der Daten von Leibundgut & Pintarić auch dadurch geschwächt, dass sie in ihren verschiedenen Publikationen abweichende Angaben zu den höchsten Bäumen geben:

die höchste FichteDurchmesser der höchsten Fichtedie höchste TanneDurchmesser der höchsten Tanne
Leibundgut (1982): Europäische Urwälder der Bergstufe63 m165 cm52 m110 cm
Leibundgut (1976): Die grössten Fichten und Tannen *63 m190 cm65 m88 cm
Leibundgut (1991): Unsere Waldbäume65 m180 cm
Pintarić (1998): Forestry and Forest Reserves in Bosnia and
Herzegovina **
64 m190 cm
* Schweiz. Zeit. Forstw. 127, S. 427
** in Diaci, J. (Ed.): Virgin Forests and Forest Reserves in Central and East European Countries

Wegen der inkonsistenten Informationen wirkt es ein bisschen so, als würden alte Männer auf ihre Jugendabenteuer ohne Notizen zurückblicken! Die Messungen von Jeroen Philippona***, Michael Spraggon und KR im Jahr 2012 sowie von Jeroen im Jahr 2013 und von KR und TM im Jahr 2019 mit Nikon Laser 550 und TruPulse 200X -Laser-Instrumenten ergab die Maximalhöhe von Fichte 57,8 m und die von Weiß-Tanne 54,8 m. Eine etwa 55 m hohe Fichte ist keine Seltenheit auf günstigen Standorten; Weiß-Tanne ist regelmäßig ein paar Meter niedriger als Fichte. Natürlich ist es möglich, dass höhere Bäume von uns unentdeckt blieben. Leider haben die beiden bereits verstorbenen Professoren Leibundgut und Pintarić die Standorte der höchsten Bäume nicht veröffentlicht. Die Nationalparkverwaltung kennt die höchsten Bäume auch nicht. Derzeit ist die höchste zuverlässig gemessene Gemeine Fichte 62,7 m hoch, diese befindet sich in Slowenien8. Die höchste zuverlässig gemessene Weiß-Tanne war 59,7 m hoch und wuchs in Biogradska-Gora-Nationalpark in Montenegro.

*** Jeroens Website: bomeninfo.nl/english1.htm

KR & TM

Referenzen:

  1. Nagel, T. A. & Svoboda, M. (2008): Gap disturbance regime in an old-growth Fagus-Abies forest in the Dinaric Mountains, Bosnia-Herzegovina. Can. J. For. Res. 38: 2728-37.
  2. Leibundgut, H. (1982): Europäische Urwälder der Bergstufe. Haupt.
  3. Nagel, T. A., Svoboda, M. & Kobal, M. (2014): Disturbance, life history traits, and dynamics in an old-growth forest landscape of southeastern Europe. Ecological Applications 24(4), 2014, pp. 663–679.
  4. Sutjeska National Park, Pers. Mitteilung (2012).
  5. Keren, S. et al. (2014): Comparative Structural Dynamics of the Janj Mixed Old-Growth Mountain Forest in Bosnia and Herzegovina: Are Conifers in a Long-Term Decline? Forests 5(6), 1243–1266.
  6. Motta, R. et al. (2014): Development of Old-Growth Characteristics in Uneven-Aged Forests of the Italian Alps. Eur. J. For. Res.
  7. Bragg, D. C., Frelich, L. E., Leverett, R. T., Blozan, W. & Luthringer, D. J. (2011): The Sine Method: An Alternative Height Measurement Technique. The Forest Service, United States Department of Agriculture, Research Note SRS-22.
  8. https://www.monumentaltrees.com/de/