Borealer Waldregion

Boreale Waldregion

Hier beschreibe ich kurz die fennoskandinavischen borealen Wälder unter ihren angenommenen natürlichen Bedingungen und auch einige Verschiedenheiten zu den borealen Wäldern der anderen Regionen.

Eine kurze Vegetationsperiode, geringe Sonnenwinkel, kalte Bodentemperaturen, feuchtes Klima durch geringe Verdunstung sowie geringe Nährstoffverfügbarkeit sind gemeinsame Attribute aller borealen Wälder.

Zu den besonderen Merkmalen der borealen Wälder unseres Areals gehört das relativ ozeanische Klima. Das ähnlichste Klima, welches sich auf anderen Kontinenten befindet, findet man im Westen Nordamerikas von British Columbia (Kanada) bis Alaska (Bild unten). Die Klimata in Zentral- und Ostkanada sowie in Sibirien und im russischen Fernen Osten sind mehr kontinental geprägt. In Fennoskandinavien gibt es fast keinen Permafrost und keinen Wald auf Permafrost, während über 50 % von Kanada und Russland – auch große Waldgebiete – sich auf Permafrost befinden1.

Inneres British Columbia, hier Wells Gray Provincial Park, ähnelt klimatisch Süd-Finnland

Flache Moräne auf Grundgestein charakterisiert Fennoskandinavien (Bild unten), während in den russischen Ebenen und in Nordamerika südlich vom Kanadischen Schild gibt es tiefe Sedimentablagerungen2. Die Böden sind normalerweise Podsole: Die oberste helle Schicht des Mineralbodens hat durch Verwitterung einen Teil ihrer Mineralien in die unteren Schichten verloren; auf den fruchtbarsten und weniger sauren Böden fehlen die Schichten, weil Regenwürmer den Boden mischen3 (die Regenwürmer haben sich jedoch durch die Landwirtschaft auf die vergletscherten Gebiete ausgebreitet, so dass diese Böden eigentlich „unnatürlich“ sind! 4). Der Mineralboden ist von einer Rohhumusauflage bedeckt3.

In europäischer borealer Region ist Grundgestein oft fast auf der Oberfläche. In diesem Foto vom schwedischen Tresticklan-Nationalpark sind die weißen Flächen von Flechten überdeckter Grundgestein

Wie in der gemäßigten Zone, so gibt es auch in der borealen Zone in Europa weniger Baumarten als in Asien und Nordamerika. In einem Hektar gibt es typischerweise 2–6, höchstens ca. 10 Baumarten5. In fast allen alten Wäldern wiederholen sich die gleichen Baumarten: die Dominanten sind normalerweise Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) auf den trockneren und Gemeine Fichte (Picea abies) auf den feuchteren Standorten. Die nassesten Fichtenwälder wachsen auf Torf, daher werden sie als Moore klassifiziert6. Weniger fruchtbare Baummoore werden von der Kiefer dominiert, im Norden auch von der Sibirischen Fichte (Picea obovata) 6. Hänge-Birke (Betula pendula) und Moor-Birke (B. pubescens) sowie Espe (Populus tremula) sind normalerweise ebenfalls reichlich vorhanden. Hier und da kann man Grau-Erle (Alnus incana) und Sal-Weide (Salix caprea) finden. Vogelbeere (Sorbus aucuparia) und Gemeiner Wacholder (Juniperus communis) kommen häufig in der Strauchschicht vor, erreichen jedoch in Nadelwäldern selten Baumdimensionen. Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) kann auf fruchtbaren nassen Standorten wachsen. Es kann schwierig sein, die zwei Birkenarten zu unterscheiden, aber die anderen erwähnten Baumarten sind sehr leicht zu identifizieren. Der höchste natürliche Baum ist die Gemeine Fichte, welche in Südschweden 49,4 m erreicht hat7. In den natürlichen borealen Wäldern Schottlands fehlt die Fichte und in Island auch die Kiefer. In Schottland und Island gibt es keinen Urwald oder urwaldähnlichen Wald mehr und sie werden hier nicht näher behandelt.

Die häufigsten Baumarten in europäischen borealen Wäldern

Sträucher spielen in den fennoskandinavischen borealen Wäldern im Vergleich zu anderen borealen Regionen eine geringe Rolle. Wenn die Strauchschicht vorhanden ist, wird diese normalerweise von jungen oder unterdrückten Bäumen gebildet.

In der Kräuterschicht sieht man den flachen und unfruchtbaren Boden: dieser wird von Halbsträuchern dominiert, vor allem Blaubeere (Vaccinium myrtillus, Bild 1 unten), Preiselbeere (V. vitis-idaea), Schwarze Krähenbeere (Empetrum nigrum) und Besenheide (Calluna vulgaris); nur auf den fruchtbarsten Boden dominieren Kräuter und Gräser die Bodenvegetation3 8 (Bild 2 unten). Die Bodenschicht besteht aus Moosen (z.B. Etagenmoos (Hylocomium splendens) und Rotstängelmoos (Pleurozium schreberi)) an feuchten und fruchtbaren Standorten und aus Flechten (z.B. Rentierflechten (Cladonia)) an trockeneren Standorten3. In den Sedimentregionen von Russland und Kanada ist das Unterholz viel reicher (Bild 3 unten).

Die Farben der fennoskandinavischen borealen Wälder sind verschiedene Grüntöne, Braungrau der Stämme und Orange der oberen Kiefernstämme (Bild unten). In alten Wäldern sind Birken meistens von Moosen, Flechten und Algen bedeckt und erscheinen daher eher grau als weiß. Im Herbst färben sich die Birkenblätter gelb und im Winter ist die Hauptfarbe weiß. Fichten haben dichte, aber relativ schmale Kronen, die meist einen Freiraum zwischen den einzelnen Kronen lassen. Kiefern und Birken haben sehr lichte Kronen. Die Halbstrauch- und Moos-/Flechtenschichten bedecken in der Regel den ganzen Waldboden.

Die Farben der fennoskandinavischen Wälder sind Grüntöne sowie Braungrau und Orange der Stämme. Pyhä-Häkki-Nationalpark, Finnland

Es mag Paradox klingen, dass Feuer gerade in den borealen Waldökosystemen ein wesentlicher ökologischer Bestandteil ist9, obwohl diese kälter und feuchter sind als die der gemäßigten Zone. Dies ist eine Folge mehrerer Faktoren. Abgestorbenes Pflanzenmaterial sammelt sich an, weil die Zersetzung aufgrund der niedrigen Temperaturen, der unfruchtbaren Böden und des sauren und harzreichen Nadelbaummaterials langsam erfolgt. Das Material der Nadelbäume ist leichter entflammbar, da ihr Holz, ihre Rinde und ihre Nadeln einen hohen Anteil an Harz und anderen leicht entzündlichen Verbindungen enthalten. Außerdem trocknet die Bodenschicht aus Flechten und Federartigem Moos in eher kurzen Trockenperioden aus, ebenso wie die Kiefernnadeln am Boden. Ein relativ offenes Kronendach lässt die Sonne, den Waldboden in Trockenperioden trocknen.

In den Wald-Kiefernbeständen auf trockenen Standorten sind die Waldbrände oft häufige Brände von geringer Intensität gewesen, als Resultat haben die Bestände viele Altersklassen2. Die Wald-Kiefer ist der trockentoleranteste und nährstoffstresstoleranteste von den allen borealen Baumarten Eurasiens10 und die dicke Rinde der großen Individuen und die große Distanz zwischen dem Boden und der Krone schützt sie vor den Waldbränden2. Die Zapfen der Wald-Kiefer sind nicht serotin (d.h. von Hitze öffnend) wie die der nordamerikanischen Banks-Kiefer (Pinus banksiana) und Dreh-Kiefer (P. contorta) 11; auch die nordamerikanische Schwarz-Fichte (Picea mariana) hat halb-serotine Zapfen12. Diese nordamerikanischen Bäume haben dünne Rinde und sie gedeihen nicht im Regime von häufigen Bränden geringer Intensität, wie die Wald-Kiefer. Stattdessen setzen die reichlich vorhandenen serotinen Zapfen, die sich im Laufe der Jahre auf ihren Ästen gehäuft haben, nach einem Kronenfeuer Samen frei, was zu undurchdringlichen Dickichten führt. Auch in späteren Entwicklungsstadien sind die nordamerikanischen borealen Wälder typischerweise immer noch dichter; auch die Dichten an umgestürzten Bäumen sind höher (Bilder unten). Nur Weymouth-Kiefer (P. strobus) und Amerikanische Rot-Kiefer (P. resinosa) der südlichen hemiborealen Zone des östlichen Nordamerika sowie Gebirgs-Douglasie (Pseudotsuga menziesii var. glauca) vom inneren British Columbia haben feuerresistente Rinde12, aber in nördlicheren Zonen hat keine Baumart diese Eigenschaften. In Sibirien haben die Lärchen (Larix spp.) eine noch bessere Feuertoleranz als die Wald-Kiefer10.

Die Fichte toleriert Schatten besser, ist aber feuer-intolerant10. Somit ersetzt die Fichte langsam die Kiefer in feuchteren Wäldern, wenn Feuer die Fichten nicht beseitigt. Wald-Kiefer kann aber hunderte Jahre leben und hat dadurch oft auch in feuchteren Wäldern überlebt bis ein Waldbrand eintritt. Vor der effektiven Brandbekämpfung haben auch die feuchteren Fichtenwälder häufig gebrannt. Allerdings hatten diese Waldbrände überwiegend menschlichen Ursprung; besonders im Zeitraum, der am Ende 1500 begann und um 1850 endete, war das Feuerintervall wesentlich kürzer als das natürliche, welches etwa 200 bis 500 Jahre im (halb-)ozeanischen Klima unseres Areals war13 14, in Norwegen noch länger. Der Wald hat sich in kleinen Lücken verjüngt2 im Gegensatz zu West-Sibirien und Zentralkanada, wo die großen Kronenfeuer dominieren11.

Der südlichste Teil der borealen Waldregion wird als hemiboreal oder boreo-nemoral bezeichnet. Unter natürlichen Konditionen würden auch hier Fichte und Wald-Kiefer dominieren (Bild unten), aber südliche Laubbäume –  Stiel-Eiche (Quercus robur), Winter-Linde (Tilia cordata), Spitz-Ahorn (Acer platanoides), Berg- (Ulmus glabra) und Flatter-Ulme (U. laevis) sowie Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) – würden als Einzelbäume auftreten und auf günstigen Standorten kleine Haine bilden15. Auf diesen günstigen Standorten gibt es keine Urwälder mehr.

Hemiborealer Naturwald mit Gemeiner Fichte, Wald-Kiefer und Hänge-Birke im Tyresta-Nationalpark, Schweden

Der boreale Wald wird lichter nach Norden hin, die Bäume werden niedriger und ihre Kronen schmaler. Die schmalen Kronen steigern die Effizienz der Lichtaufnahme bei den niedrigen Sonnenwinkeln15 und reduzieren die Schneelasten17. Gemeine Fichte geht langsam in die Sibirische Fichte über. Im kalten Klima des nördlichen Fennoskandinaviens wird Holz sehr langsam zersetzt: ein toter Baum kann 200 Jahre stehen; wenn er schließlich fällt, kann die Zersetzung weitere 200 Jahre dauern, wenn der Stamm gestützt durch eigene Äste oder Steine über dem Boden bleibt5. Folglich sind stehende und liegende abgestorbene Bäume in den Urwäldern des Nordens reichlich vorhanden. Anders als in vielen anderen borealen Regionen, bildet ein Laubbaum, Fjell-Birke (Betula pubescens var. pumila, Bild unten), anstatt der Nadelbäume in Fennoskandinavien die Baumgrenze wegen des ozeanischen Klimas18. Dieser krüppelige generell höchstens 10 m hohe Baum ist durch die Hybridisierung zwischen Moor-Birke und (zwerg-)strauchartigen Zwerg-Birke (Betula nana) entstanden19. Dank der von Zwerg-Birke vererbten Eigenschaften ist diese baumartige Birke an die harten Bedingungen des nördlichen Fennoskandinaviens gut anpasst20. Andere Bäume in diesen nördlichsten und höchstgelegenen Wäldern sind Grau-Erle (Alnus incana subsp. kolaënsis), Vogelbeere, Traubenkirsche (Prunus padus subsp. borealis), Espe und Sal-Weide. Die Bodenvegetation unterscheidet sich nicht wesentlich von den benachbarten Nadelwäldern. In Fennoskandinavien gibt es keine polare Waldgrenze, sondern die Fjell-Birke reicht bis zur Küste des Arktischen Ozeans. Die Nordgrenze der Kiefer ist auch nicht weit davon entfernt. Südlich in den schwedischen und norwegischen Gebirgen ähnelt der Wald dem Tieflandwald im Norden (Bilder unten). In Schweden wird die Fjell-Birken-Region auch als subalpine bezeichnet15.

Die Küstenwälder Norwegens sind sehr ozeanisch und regenreich, und wurden als boreale Regenwälder bezeichnet; dennoch ist ihre Flora weitgehend die gleiche wie in den Wäldern Schwedens und Finnlands, aber die Flechtenflora umfasst seltene Arten der feuchten Wälder21.

Das Wandern in den europäischen borealen Wäldern ist leicht! Die Baumbestände sind generell ziemlich licht, das Unterholz niedrig und die Hänge sanft. Im Vergleich dazu sind die nordamerikanischen borealen Wälder deutlich schwieriger zu durchdringen: Neben den erwähnten reichlich vorhandenen umgestürzten Bäumen bilden die Jungbäume der sehr schattentoleranten, aber kurzlebigen Balsam-Tanne (Abies balsamea) 12 auch in älteren Wäldern sehr dichte Bestände (Bild unten).

Dichte Verjüngung von Balsam-Tanne im Prince-Albert-Nationalpark, Kanada

Die Stille der nördlichen Wildnisse ist unglaublich. Wenn es Windstill ist, kann man hören, wie das Blut in den Adern rauscht – vielleicht zum ersten Mal! Die Mücken können sehr ärgerlich im Norden im Juli sein; ich persönlich bevorzuge Anfang August, wenn die Tagestemperaturen noch relativ hoch sind, aber die ersten Nachtfröste bereits die meisten Mücken getötet haben.

Boreale Wälder werden auch mit dem russischen Wort „Taiga“ bezeichnet. Jedoch wird in Kanada „Taiga“ als Bezeichnung für die nördlichste boreale Waldzone verwendet, also in etwa gleichbedeutend mit der europäischen „nordborealen Zone“ 22.

KR

Referenzen:

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