
Naturschutzgebiet Derborence, Schweiz
Dramatisch, unbezwingbar und Respekt einflößend wird der Talkessel von Derborence in der Literatur beschrieben1. Am Talgrund liegt ein kleiner See, Lac de Derborence, der für die meisten Besucher als Hauptattraktion des Gebiets gilt.
Der Wald am steilen Nordwesthang südöstlich des Sees (Bild unten) blieb von Nutzungen weitgehend verschont, weil ein Erdbeben und darauf folgende Bergstürze von der anderen Talseite in den Jahren 1714 und 1749 das Tal nahezu unzugänglich machten1 2. Erst 1967 wurde eine Straße bis nach Derborence eröffnet1. Bereits zuvor im Jahr 1956 wurde der Urwald unter Schutz gestellt. Nur 22 ha des 52 ha großen Naturschutzgebietes sind Wald, der Rest besteht aus Lawinenzüge und Fels1. Darüber hinaus besteht der nördlichste Teil des Naturschutzgebiets östlich des Sees aus jungem Wald. Der eigentliche Urwald am Steilhang gilt als das urtümlichste Urwaldrelikt der Schweiz1. Vermutlich wurde früher Brennholz gesammelt, und das Vieh weidete an der untersten Lage des heutigen Naturschutzgebietes1.

Das Naturschutzgebiet Derborence erstreckt sich von 1430 bis über 2000 m ü.M., jedoch nicht bis zur Waldgrenze. Die mittlere Jahrestemperatur liegt zwischen 5 und 6 °C und die jährliche Niederschlagssumme beträgt 1200–1800 mm 3. Der Untergrund besteht fast ausschließlich aus Kreidekalke3.
1990 hat ein Orkan das Naturschutzgebiet Derborence getroffen, und danach hat Buchdrucker (Ips typographus) zahlreiche Fichten (Picea abies) getötet1. Dennoch gibt es im Derborence immer noch auch höhere Fichten. Aufgrund der breiten Lawinenzüge sowie der Sturm- und Borkenkäferschäden macht Derborence nicht den Eindruck eines geschlossenen Waldgebiets – der Wald ist relativ offen und weist viele Lücken auf. Dadurch ist das Unterholz üppig und vielfältig. Auch Baumverjüngung ist reichlich. Totholz gibt es sehr viel.
Die häufigsten Baumarten sind Weiß-Tanne (Abies alba), Gemeine Fichte, Europäischer Lärche (Larix decidua, besonders an oberen Lagen) und Spirke (Pinus uncinata, besonders an Felswänden). In den zahlreichen Lücken wachsen reichlich Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Vogelbeere (Sorbus aucuparia) und Grün-Erle (Alnus viridis). Die weiteren Baum- und Hochstraucharten sind Wald-Kiefer (Pinus sylvestris), Zirbel-Kiefer (Pinus cembra), Hänge-Birke (Betula pendula), Großblättrige Weide (Salix appendiculata), Rot-Buche (Fagus sylvatica), Echte Mehlbeere (Sorbus aria, syn. Aria edulis) und Alpen-Goldregen (Laburnum alpinum). Somit ist die Vielfalt an Nadelbaumarten mit 7 Arten ziemlich hoch, wenn man den strauchartigen Gemeinen Wacholder (Juniperus communis) mit einbezieht. Auf Felswänden wächst auch Spirke strauchartig (Bild rechts). Im Gegensatz zu vielen anderen Waldgebieten in den Alpen kann auch Tanne hier verjüngen, ohne dass alle Sämlinge abgefressen werden.
Am Fuße des Hangs stehen einige dicke Tannen mit einem Durchmessern von bis zu 148,5 cm 1. Die höchste gemessene Tanne ist 42 m hoch 4. Die ältesten Tannen stehen hier seit über drei Jahrhunderten 5. Der Wald wird intensiv geforscht und verfügt über markierte Probeflächen.

Das Tal von Derborence ist mit einer Postautolinie oder mit PKW erreichbar. Nördlich des Sees befindet sich eine Alphütte „Refuge du Lac de Derborence“ mit einem Restaurant und Übernachtungsmöglichkeiten. Ein markierter Wanderpfad führt um den See herum. Fast alle Besucher wandern höchstens diesen Pfad oder bleiben einfach an der Hütte und gehen zum Seeufer. Der markierte Pfad führt jedoch nicht bis zum eigentlichen Urwald. Es gibt aber einen wenig benutzten schmalen Pfad durch das gesamte Naturschutzgebiet, der auf Karten aber nicht vor Ort markiert ist. Er beginnt am westlichsten Lawinenzug, führt durch den Urwald und verlässt das Naturschutzgebiet auf ca. 1830 m ü.M. Die Aussicht vom oberen Hang ist grandios, aber das Naturschutzgebiet ist klein und liegt in der Nähe an der Infrastruktur rund um den See, die vom gesamten Naturschutzgebiet aus zu hören und zu sehen ist.
KR
Referenzen:
- Heiri, C. et al. (2011): Windwurf und Wiederbewaldung im Urwald von Derborence. In Brang, P., Heiri, C. & Bugmann, H.: Waldreservate: 50 Jahre natürliche Waldentwicklung in der Schweiz. Haupt.
- Idoate-Lacasia, J. et al. (2024): Long-term biomass dynamics of temperate forests in Europe after cessation of management. Forest Ecology and Management 554.
- Droz, J. (1994): La végétation da la région de Derborence (Conthey, Chamoson, Valais). Geobot. Helv. 70.
- https://www.monumentaltrees.com/de/che/wallis/conthey/16709_reservenaturelledederborence/31596/
- https://www.pronatura.ch/de/naturschutzgebiet-derborence#